Die Unterscheidung zwischen einem analytischen
und einem reflexiven Zugang bei der Unterrichtsaufarbeitung ist
in Hinblick auf die Entwicklung einer selbstbewussten Haltung
gegenüber der eigenen Unterrichtstätigkeit von herausragen-der
Bedeutung. In der erziehungswissenschaftlichen Literatur werden
beide Vorgehensweisen oft gleichgesetzt oder vermengt. Auch in
der Ausbildungspraxis wird dieser Unterschied oft nicht gemacht.
Stundenbesprechungen werden dort gern als Reflexion bezeichnet,
um zu unterstreichen, dass Auszubildende zur selbstständigen
Betrachtung ihres Unterrichts ermutigt werden sollen. Tatsächlich
verwandeln sich solche Besprechungen dann schnell in Analysen,
weil Ausbilder sowohl die zu besprechenden Unterrichtsausschnitte
festlegen, als auch die Analysekategorien vorgeben, unter denen
die Betrachtung zu erfolgen hat.
Unterrichtsanalyse
Untersuchung unter zuvor festgelegten Aspekten (z.B. Gesprächsführung,
Methodenrepertoire, Stundenaufbau) mit methodisch ausgewiesenem
Vorgehen.
Gegenstand sind nur die Phasen und Schichten
des Unterrichts, die für die in Frage stehenden Aspekte
aussagekräftig sind.
Die persönliche Involviertheit des Betrachters
in das Unterrichtsgeschehen ist für eine Analyse unerheblich
und eher hinderlich.Geprüft wird, ob die Aspekte einem
theoretisch definierten Typ entsprechen. Eine Bewertung des
Unterrichts bzw. Lehrerhandelns darüber hinaus ist nicht
bezweckt.
Unterrichtsreflexion
Die interessierenden Aspekte werden erst während
der Reflexion festgelegt.
Das konkrete Geschehen gilt als Fall bzw. Typus im Sinn der
angelegten Theorie und wird nur diesbezüglich ausgewertet.
Gegenstand ist erst mal das Gesamtgeschehen einer Episode als
Fall. Die Episode soll vom Betrachter soweit möglich in
ganzheitlicher Qualität anschaulich nachvollzogen werden
können.
Der Betrachter versucht, sich in den Unterricht hineinzuversetzen
und fasst ihn als ein von ihm selbst zu bewältigendes Geschehen
auf.
Im Vordergrund steht die Frage, wieweit der Betrachter die Episode
für gelungen hält.
Angehende Lehrer/innen benötigen einerseits Anregungen zur
Unterrichtsanalyse in Form von Kriterienrastern, Fragenkatalogen
und didaktischen Kategorien. Andererseits sollten sie auch Gelegenheit
zum selbstständigen Reflektieren über Unterricht ohne
Vorgaben erhalten, um die Fähigkeit zur „Reflexion von Lehr-
und Lernprozessen“ (eine in den „Standards für die Lehrerbildung“
der Kultusministerkonferenz 2004 an erster Stelle genannte „Kompetenz“)
überhaupt entwickeln zu können. Eine Unterrichtsreflexion
ist ergebnisoffen: Das gemeinsame Gespräch über Unterricht
wirkt im Idealfall auf die Betrachter zurück, in dem jeder
daraus Konsequenzen für sein zukünftiges Handeln zu
ziehen versucht – u. U. jeder andere. Es geht nicht um ein Belehren
oder Instruieren, sondern um einen wechselseitig anregenden Austausch
von Einschätzungen.